Gräberfelder an der Fallward
Aus dem Gebiet des Landkreises Cuxhaven sind zahlreiche Gräberfelder des 3. - 5. Jh. n. Chr. bekannt geworden. Von ihnen stammen mehrere tausend Bestattungen. Die meisten dieser Fundplätze sind auf der Geest lokalisiert, während Grabfunde aus der Marsch außerordentlich selten sind.
Zwischen 1993 und 1998 konnte die Archäologische Denkmalpflege des Landkreises Cuxhaven an der Dorfwurt Fallward, rund 2 km südlich der Feddersen Wierde, Gräberfelder untersuchen, die noch weitgehend erhalten waren. Diese Friedhöfe sind für den gesamten Nordseeküstenraum von herausragender Bedeutung, da aufgrund der günstigen Erhaltungsbedingungen in den tieferen Schichten der Marsch ein ganz ungewöhnliches Fundensemble aus Holz erhalten ist.
Die Ergebnisse der Ausgrabungen der Feddersen Wierde und der Grabfunde an der Fallward gewähren einzigartige Einblicke in die Kultur- und Lebensverhältnisse sowie die Umwelt der Küstenbewohner in der ersten Hälfte des 1. Jt. n. Chr.
Grabformen
Auf den Gräberfeldern an der Fallward konnte eine Vielzahl an unterschiedlichen Grabformen festgestellt werden. Neben Urnen- und Brandschüttungsgräbern des 4. und 5. Jh. n. Chr. kommen unverbrannt beigesetzte Tote derselben Zeit vor.
Körpergräber dieser Zeit wurden auf verschiedenen Gräberfeldern des Elbe-Weser-Dreiecks ausgegraben. Allerdings konnten noch nie so viele unterschiedliche Grabformen festgestellt werden: Bestattungen im Kastensarg, im Baumsarg und einfache Erdgräber. Besonders zahlreich sind die Bestattungen in hölzernen Trögen, zu denen sich einige vergleichbare Befunde auch im Küstengebiet nachweisen lassen. Einzigartig sind zwei Bestattungen in Booten, sog. Bootsgräber.
Bootsgräber
Am Rand eines der beiden Gräberfelder fanden sich zwei gut erhaltene Bootsgräber: Die Beisetzungen eines Mannes und einer Frau.
Bestattungen in Booten sind im nördlichen Europa weit verbreitet und gehören meist in das 1. Jt. n. Chr., wobei derartige Beisetzungen vor allem im 7. bis 10. Jh. vorkommen. Man geht derzeitig davon aus, dass diese Bestattungssitte ihre Ursprünge im südlichen Skandinavien hat, da hier Bootsgräber bereits im 1. und 2. Jh. n. Chr. nachgewiesen werden konnten.
Das Grab eines Mädchens
Wenige Meter südlich des größeren Bootsgrabes befand sich das von einem Kreisgraben umgebene Grab eines Mädchens.
In dem außergewöhnlich gut erhaltenen Sarg lag das Mädchen vollständig bekleidet und trug noch seinen Schmuck. Unter den Gewandschließen, den Fibeln, fallen besonders zwei sehr aufwendig gearbeitete "Tutulusfibeln" ins Auge.
Neben dem Sarg fanden sich, ebenso wie zu Füßen der Bestatteten, im Sarg geschnitzte und gedrechselte Holzschalen. Zwischen den Schalen neben dem Sarg war des Weiteren ein kleiner Holztrog deponiert, in diesem fand sich der Versturz eines Spanzylinders. Unter dem Trog lag eine kleine Holzschachtel.
Die wichtigsten Holzfunde aus diesem Grab sind zweifellos ein kleiner Tisch mit rechteckiger Platte und gedrechselten Beinen sowie ein kleiner Hocker mit ebenfalls gedrechselten Beinen und gedrechselter Sitzfläche. Diese Funde sind bislang einzigartig in Europa und haben keine Vergleichsbeispiele.
Möbel
Mit den Ausgrabungen an der Fallward wurde erstmals ein bemerkenswerter Bestand an Möbeln des 4./ 5. Jh. n. Chr. ausgegraben. Dazu gehören Hocker mit drei oder vier Beinen ganz unterschiedlicher Qualität.
Von überraschend hoher handwerklicher Qualität ist der kleine Tisch, der hinter dem Kopf des Toten in dem größeren Bootsgrab als Versturz freigelegt werden konnte. Die Fertigkeit des Tischlers, der dieses Möbelstück hergestellt hat, wird deutlich, wenn man die von profilierten Leisten gefaßte Tischplatte mit ihren komplizierten Holzverbindungen und angesetzten, reich profilierten gedrechselten Stäben betrachtet. Bemerkenswert sind überdies die gedrechselten Beine und die an der Vorderfront eingezogenen Traversen mit eingefügten, ebenfalls gedrechselten kleinen Säulchen, sog. "Docken".
Bei diesem Tisch wird es sich - ebenso wie bei dem Tisch aus dem Mädchengrab - um einen kleinen Speisetisch handeln, wie ihn der römische Autor Tacitus in der Germania, Kapitel 22, erwähnt. Er beschreibt, wie die Germanen essen: "separatae singulis sedes et sua cuique mensa" (jeder hat einen eigenen Platz und seinen eigenen Tisch).
Ein in Europa einzigartiger Fund ist ein "Thron", ein reich verzierter Prunksessel, der aus einem Baumstamm gearbeitet ist.
Soldat im Dienste Roms
Von zahlreichen Gräberfeldern des Elbe-Weser-Dreiecks stammen Ausrüstungsteile des spätrömischen Heeres. Sie zeigen, dass die römische Armee einen Teil ihres Personalbedarfs auch im Elbe-Weser-Dreieck rekrutierte. Diese Söldner kamen nach dem Ende ihrer Dienstzeit zurück in ihre Heimat.
Auch in dem großen Bootsgrab fanden sich solche Metallbeschläge und die Schnalle eines spätrömischen Militärgürtels. Sie sind damit ein Hinweis auf den Lebenslauf des Mannes aus dem Boot: In jüngeren Jahren war er Soldat im römischen Heer. Die aufwendige Qualität der Metallarbeiten zeigt, dass er sicherlich einen höheren Dienstgrad erreicht hat. Nach dem Ende seiner Dienstzeit kehrte er in seine angestammte Heimat im Land Wursten zurück.